Der Neid der Kleinen


Facebook, Nachrichten, Diskussionen im Freundeskreis. Aktuelles Thema: Flüchtlinge. Für mich persönlich: Klare Sache. Alle Aufnehmen und die  Asylpolitik deutlich verbessern, diesen Menschen ihren "Gedulded"-Status nehmen, sie ruckzuck eingliedern, nicht mehr gesondert wahrnehmen, weil sie doch ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sein sollten. Weg vom: "Hallo! Wie schlecht ging es Dir in deiner Heimat? Hast Du das Recht, hier zu sein? Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtling? Warum hast Du ein SMARTPHONE??????" zu "Hallo! Nett Dich kennen zu lernen, habt ihr mein Paket angenommen?"

So weit, so gut. 

Das man  Menschen helfen sollte, weil man in einem reichen Land wie Deutschland immer mehr hat als ärmeren Ländern, sagt einem der moralische Menschenverstand. Eigentlich.

Aber: Auch mal davon abgesehen: Das wir diese Menschen brauchen, versteht der, der sich informiert. Deutschland wird immer älter, zu wenig Junge rutschen nach. Wir brauchen mehr Leute die arbeiten, um unsere Zukunft wirtschaftlich zu sichern.  Sonst macht das Altwerden in unserem Staat bald gar nicht mehr soviel Spaß. Man muss also noch nicht mal ein "Gutmensch" sein, um die Notwendigkeit zu erkennen, Menschen in unser Land zu lassen.

So weit, so gut.

Jetzt gibt es dieser Tage  allerdings dieses fiese Phänomen: Der Neid der Kleinen. Und mit klein meine ich tatsächlich Größe: Die menschliche Größe.

Beispiele? Inken liest, dass in unserer Stadt neue Flüchtlingsheime gebaut werden. Unzufrieden schaut sie sich vielleicht gerade in diesem Moment in ihrer Wohnung um: Schimmel prankt in den Wohnzimmerecken, sie hat sich schon immer gewünscht, mal eine neue Wohnung vom Amt gestellt zu bekommen.Viel Geld hat sie nicht, beim Anblick der Parkplätze, wo das neue Auto vom Nachbarn steht, regt sich der Wunsch, sich sowas auch irgendwann mal leisten zu können. Jetzt macht sich Inken natürlich Sorgen. Ihrer Meinung nach gibt es für die Menschen, die in "ihrem" Land leben, eh zu wenig. Und jetzt dürfen auf einmal fremde Menschen, aus einem fremden Land nach Deutschland kommen, die was kriegen. Einfach so. Außerdem sehen sie komisch aus, haben eine andere Hautfarbe und sprechen seltsam. Inken ist verwirrt: Wenn diese Menschen immer mehr werden, bekommt sie dann weniger? Und nachher versteht man sich auch untereinander nicht mehr. Und haben die nicht auch so eine komische Religion? Und war da nicht irgendwas mit Terrorismus?

Hans und Beate leben in einem kleinen Dorf. Man kennt sich untereinander, geht seit zwanzig Jahren in dieselbe Kirche, in den gleichen Supermarkt und feiert beim Schützenfest zusammen das Leben und die Tradition. Sie fühlen sich wohl in ihrem Reihenhaus, mit ihren Nachbarn, mit ihrem Leben. Bei einer vom Bürgermeister ausgerufenen Bürgerversammlung erfahren sie von dem Zeltlager, dass für die 200 Flüchtlinge auf der Gemeindewiese aufgebaut werden soll. Unabänderlich, in ein paar Wochen geht es los. Hans und Beate sind wütend. Sie fühlen sich übergangen, hilflos, ihr Alltag gerät aus den Fugen. Sie gründen sofort mit Freunden und Nachbarn die Bürgerinitative "Nicht mit uns-NEIN zu Flüchtlingen". Denn wo soll das Pfarrfest und das Schützenfest stattfinden, wenn die fremden Menschen auf der Gemeindewiese hausen? 

Tanja und Steffen sind ein modernes Paar in einer Großstadt. Sie ist Einzelhandelskauffrau, er arbeitet als Kundenberater in einem großen Unternehmen. Sie verdienen gut, sind ungebunden und genießen das Leben. Mit Politik haben die beiden nicht wirklich viel am Hut. Sie fühlen sich von gesellschaftlichen Geschehen nicht beeinflusst, Diskussionen über Politik langweilen sie. Auch die Flüchtlingspolitik berührt die beiden nicht besonders. Ausländer, Migranten, sie wissen eigentlich auch nicht so wirklich wie man sie nennt, treffen die beiden nur im Alltag, wenn sie im Kiosk abends bei Ali im Kiosk noch ein Bier kaufen oder sich einen Döner im türkischen Grill bestellen. Was Tanja allerdings stört ist das ständige Anmachen, wenn sie abends in ihrem sehr kurzen Minirock durch die Altstadt rennt. Da fallen ihr vermeintlich besonders die "Ausländer" auf, die Pfeifen und Sprüche grölen, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken. Daher ist sie auch eigentlich gegen die Flüchtlinge, wenn an sie danach gefragt wird. Letztens hat sie sogar gelesen, dass die besonders hinter den Frauen her sind, stand in diesem Facebookartikel. Wie die Internetseite hieß weiß sie nicht mehr. Irgendeine Partei, irgendwas mit N...

Neidisch ist der, der vermeintlich weniger hat. Der, der nach mehr strebt; der, der nicht gönnen kann. Der, der Angst hat, weil er nicht einschätzen kann.  Der, dem Wissen fehlt. Der, der keine Fragen stellt. Und das macht klein.

Die, die nicht gelernt haben, dass Allgemeinwohl auch für einen selbst bereichernd ist, bekommen Angst und es entsteht Wut, weil vermeintlich etwas genommen wird, was einem selbst zusteht. Das ist keine Charakterschwäche, sondern eine Wissenslücke, die man füllen kann. Daher macht es auch keinen Sinn, die zu verteufeln, die gegen die Flüchtlinge sind. Man muss weg von der Beleidigung, hin zum Aufklären und Stärken, damit die Angst verschwindet. Damit man versteht, was die Menschen so klein macht. Damit sie wachsen können.  Die, die danach noch übrig bleiben, imprägniert mit ihrem Faschismuns und Meinungsmacherei, kann man dann immer noch ätzend finden. Aber der, der Menschen mit Angst und Unwissenheit vorverurteilt, ist selbst ziemlich klein. 

 

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