Weil`s nicht okay ist. Darum.

Hier sollte ein Beitrag über Sexismus stehen. Etwas pathetisch, lang, leicht empört und dazu anregend, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Hatte ich mir schon was länger überlegt, das Thema brennt wieder in meinem Kopf, ist so aktuell. Was sich mit geschlechterneutraler Erziehung beschäftigt, der eigenen- sexuellen-Rollen-anerzogenen- Empfindung,  sowas halt. Kurzer bis mittellanger Beitrag, wie das so meine Art ist. Doch irgendwie kommt es jetzt doch etwas anders.

Ich habe mich erstmal selbst zensiert. Habe diesen Blog kleiner gemacht, Beiträge gelöscht, geöffnet. Und das kam so:

Ich postete vor ein paar Tagen bei Facebook ein Video. Mit der Überschrift: "48 Things Women Hear In A Lifetime (That Men Just Don`t)" wurden Frauen gezeigt, die die typischen Phrasen wiederholten, die man als Frau immer mal wieder hört, es aber eigentlich nicht will. Weil es nervt, ständig auf sein Äußeres reduziert zu werden, Witze oder Sprüche über Menstruation zu hören, und als Frau charakteristisch als zickig, emotional öder ähnlichem beschrieben zu werden. "Das ist vlt mal interessant für Männer, um sich mal wieder in Alltagsklischees reinzudenken, dass sensibilisiert, als kleine Anregung", dachte ich. So wie: "Alle drei Sekunden stirbt ein Kind in Afrika." Weiß man, findet man schlimm, aber manchmal ist es gut dran erinnert zu werden, weil es im Alltag in Vergessenheit gerät. HAH! Weit gefehlt....

In Deutschland wurde die Gleichberechtigung von Frauen und Männern 1949 ins Grundgesetz aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt sind Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich. Logischerweise würde dies leicht pauschalisiert bedeuten, dass Frauen und Männer gleichwertig behandelt werden, dass sich unsere Gesellschaft nach dieser Norm entwickelt, strebt. Und man würde erwarten, dass 2016 den oben genannten Beitrag begrüßen würde. Weil ja alle dafür sind, dass zwischen den Geschlechtern gleiche Gerechtigkeit herrscht. HAH! Weit gefehlt....

Es folgte tatsächlich ein Aufschrei. Aber irgendwie anders als erwartet. Anstatt einem solidarischem Like-Hagel meiner weiblichen und männlichen Facebookuser, entrüsteten sich zahlreiche Menschen über den Beitrag. Wer? Männer. Warum? Ja, warum eigentlich?

Inhaltlich galt die Beschwerde meiner männlichen Diskussionsgegner irgendwie der Machart des Videos, mir und dem radikalen Feminismus. Es gäbe keinen Sexismus in der Sprache, nur im Kontext, das Video sei ein Klischee, Gender Equality wäre auch irgendwie Quatsch, es gäbe keine Diskriminierung von Frauen in der Berufswahl, radikaler Feminismus wäre das Hinterletzte und meine Lieblingskritik: Du diskutierst nicht richtig, nur auf emotionaler Ebene, gehst nicht auf Argumente ein. Selbst als ein paar Jungs versuchten Licht ins Dunkle zu bringen,  entstand aus dem Ganzen eine riesige, unüberschaubare Diskussion. Was allerdings nicht zu übersehen war: Die erste Kernreaktion auf das Video war die Verteidigung der männlichen Rolle. 

Was bei mir übrig bleibt, ist Verwunderung und Wut. Echte, deprimierte, ermüdete Wut. Übrigens nicht nur bei mir, sondern auch bei Freunden und Freundinnen. Die mir im Gespräch erzählt haben, wie sie diese Haltung aufregt.

Vielleicht handelt es sich nur um einen völlig nichtigen Videobeitrag auf einer nichtsbedeutenden Seite, nämlich von mir. Mit Menschen, die gesellschaftlich ja auch nicht mehr Gehör finden als ich mit meinem Facebookgepose oder diesem popeligen Blog. Den noch nicht mal  Herr Googel anzeigt, weil ich ihn bis jetzt nicht in die Welt hinaustrage. Aber: Es ist nicht okay. Warum? Darum:

 

Im Iran dürfen Mädchen ab einem Alter von 13 Jahren verheiratet werden, der Mann darf dann

komplett über sie verfügen. Die Weltgesundheitsorganisation schätze 2008, dass zwischen 100 und 140 Millionen Frauen und Mädchen an den Genitalien beschnitten werden. Und mit beschnitten meine ich verstümmelt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gab 2004 eine Studie heraus, dass 40 % der Frauen in Deutschland ab ihrem 16. Lebensjahr bereits zum Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt geworden sind. 42% aller Frauen Opfer von psychischer Gewalt. Nach Angabe der UN haben nur 2 von 130 Ländern, die Geschlechtergleichheit auf allen Bildungsebenen erreicht. Weltweit sind zwei Drittel aller Analphabeten Frauen. Ein paar Beispiele von vielen.

 Es gibt faktisch eine Unterdrückung von Frauen in der heutigen Gesellschaft. Natürlich werden nicht sofort in dieser Minute weniger Frauen geschlagen oder vergewaltigt, weil man sich nicht für den Kampf gegen Sexismus einsetzt. Oder ein Facebookvideo nicht mag. Es geht um die Offenheit zur Wahrnehmung. Es ist doch fraglich, ob man Aufklärung und Sensibilisierung unterbindet und kaputt diskutiert, weil man Angst hat, dass die Erweiterung von Frauenrechten den eigenen Platz in der Gesellschaft ändert. Das man nicht nachfühlen kann, wie es wohl ist im Alltag Klischees zu begegnen, die einen klein halten. Und das findet nicht nur in den hoch emotional wirkenden Beispielen statt, sondern beginnt im Alltag von mir, von Euch. 

Ich kann spontan stundenlang von Geschichten berichten, die Tag für Tag hier und jetzt passieren. Von Frauen aus Eurem Umfeld, die Jobs nicht bekommen, weil sie Frauen sind. Und nicht, weil sie beruflich schlechtere Voraussetzung haben. Die von Männern körperlich unterdrückt werden, die Männer dies völlig in Ordnung und normal finden. Die einer Gesellschaft begegnen, in denen ein Blick herrscht, der Frauen ein Charakteristika aufgrund ihres Äußeren zuschreibt und die Tatsache, ob sie für sie daher sexuell verfügbar sind. Und wo ein "Nein" oder eine Kritik von Frauen scherzhaft mit Altherrenhumor abgetan wird. Wo Frauen denken, sie müssen sich vermeindlich weibliche Attribute abgewöhnen, um mit Männern "mithalten" zu können.

 

Und daher ist so ein Video kein Schrei nach radikalem, unterdrückendem Feminismus, sondern das Erinnern an eine Realität, die gleichberechtigt sein soll. Frauen UND Männer. Und wenn Euch das womöglich so Angst macht und ihr das radikal findet, solltet ihr Euch mal fragen warum.

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